Ein kleiner Junge (10 Jahre alt) bekommt ein 60-cm Aquarium geschenkt. Er ist so begeistert, dass er vom „Virus Aquaristikus“ befallen wird. Voller Neugier versucht er sich Wissen über seine neuen Pfleglinge (Guppies, Schwertträger und Platies) anzueignen und sie auch zuvermehren. Bei Wasserwerten von ca. 40°GH und einem ph-Wert von etwa 7,6 ist das auch kein Problem. Das Futter wird in den nahegelegenen Tümpeln gefangen. So mancher ungewöhnlicher Beifang (Molche, Kaulquappen u. ä.) landet im Gurkenglas. So wird auch das Interesse an der Umwelt geweckt. Voller Stolz fragt er im nächsten Zoogeschäft, ob die Nachzuchten erworben werden. Der Händler sieht den Jungen in seinem Enthusiasmus und nimmt die Fische für eine Dose Futter entgegen. So geht es einige Male und es entwickelt sich so etwas wie eine freundschaftliche Beziehung zwischen den Beiden. Sehr viel Zeit verbringt der Junge nun im Aquariengeschäft. Er löchert den Fachmann mit allen möglichen und unmöglichen Fragen, so lernt er GH, KH, ph-Wert, Nitrit, Nitrat und viele andere Dinge kennen. Jede verfügbare Literatur wird förmlich verschlungen. Für die Nachzuchten werden jetzt nützliche Dinge wie Heizer und Filter erworben. Auch die ersten Bücher und Zeitschriften kommen dazu. Gleichgesinnte mit denen man sich austauschen kann gibt es noch nicht. Irgendwann bekommt er ein zweites Aquarium. Der Wunsch nach anderen Fischen erwacht. Bald schwimmen Salmler und auch ein Skalar in dem neuen Becken.

Bei einem Besuch bei einem Spielkameraden sieht er ein großes Aquarium (ca. 200l) im Garten stehen, voller Müll. Man war froh dass sich jemand für diesen Kasten interessiert und der Junge bekommt es geschenkt. Mit einem Handwagen wird das schwere Teil nach hause gebracht. Ablehnung und Bedenken werden beseitigt. Die Neuerwerbung wird mühselig Instand gesetzt. Endlich können Fische im größeren Stil vermehrt werden.
Die Jahre vergehen, der Junge wird älter. Das erste Geld wird verdient und es werden nach und nach noch einige Aquarien angeschafft. Da die Qualität seiner Lebendgebärenden gut ist, findet er immer dankbare Abnehmer. Mit dem so erworbenen Geld wird die Technik in den nun vorhanden 10 Aquarien verbessert und vervollständigt. Mit 20 erreicht ihn der energische Ruf von „Vater Staat“, und er muss zur Bundeswehr. Und die Anlage?? In Einzelteilen wird sie nach und nach verkauft. Die Literatur wird im Keller eingemottet.

Es folgen acht Jahre bei der Marine, viel unterwegs und kein festes Domizil. Also ist an ein Weiterführen der Leidenschaft nicht zu denken. Aber egal wo er ist, jedes Aquariengeschäft, das zu finden ist, wird besucht. Selbst Vereinsabende von Aquarienvereinen in Flensburg und Sonthofen werden besucht. So ist er immer im Bilde was in der Aquaristik passiert. Der Diskusboom geht auch nicht spurlos an ihm vorbei. Wenn schon keine Fische, dann doch wenigstens Bücher. Schmidt-Focke, Wattley, Degen usw. ..alles musste her. Diskusjahrbuch alle 20, Diskusbrief, er hat 18 Jahrgänge, TI- von Band 1 bis heute, Aquarium Heute von Anfang an, DATZ, Das Aquarium.. alles vorhanden.

Endlich … die Bundeswehrzeit ist vorbei und eine erste kleine Wohnung ist vorhanden. Auch wenn kaum Platz ist, ein Aquarium muss her. 50 cm müssen genügen, nicht groß aber wenigstens wieder ein Aquarium (sehr zum Leidwesen meiner Freundin). Bald kommt eine größere Wohnung….. und auch ein größeres Aquarium. 330l, offen, mit HQL-Lampen, Rieselfilter, Bodenheizung und CO2-Anlage (da ist die ehemalige Freundin und jetzige Ehefrau nicht sehr erfreut). Aber das mit viel Liebe eingerichtete Becken ist ein echter Blickfang, es wird letztlich doch akzeptiert. Auch der kleine Sohn findet das „lebende“ Bild gut, nichts beruhigt ihn schneller.

Bei einem Bekannten sieht er ein 2000l-Aquarium mit Diskus. Sehr oft sitzt er bei ihm und hört sich immer wieder die Geschichte des Beckens als Seewasseraquarium an. Aber das stört nicht der Anblick der traumhaften Diskus entschädigt dafür. So kommt, was kommen muss… bald
Schwimmen die erasten Diskus im eigenen Aquarium. Da dies nicht ohne Probleme geht, braucht er Hilfe. Die findet er in einem Aquarienverein. Endlich Gleichgesinnte mit denen man stundenlang fachsimpeln kann. Er wird bald Vorstandsmitglied und nicht lange danach Vorsitzender. Auch im VDA-Bezirk engagiert er sich, ist zeitweise 2.Stellvertreter. Es folgen aquaristische Weiterbildung z.B. Preisrichter-Schulung für Heimschauen, Seminar an der tiermedizinischen Hochschule Hannover Fachbereich Fischkrankheiten und Fischhaltung. Der Sachkundenachweis wird gemacht.
Dann erschüttern die Positivlisten die Heimtierhaltung. Er stellt sich und sein Hobby bei verschiedenen Umweltorganisationen zur Diskussion. Selbst der örtlich zuständige Bundestagsabgeordneter ist nicht vor ihm sicher. Aber das Hobby bleibt noch erhalten.

Umzug.. aufs Land raus. Bevor die Familie einzieht, steht schon die Neuerwerbung im Wohnzimmer: 816l mit den Abmessungen 170x80x60. Da in diesem Riesenaquarium sehr viel
Platz ist, kommen auch die ersten Apistogramma. Bald schwimmen 10 große ausgesuchte Diskus, einige Welse und Zwergbuntbarschpaare in dem Aquarium. Auch umzu ist sehr viel Platz für das Hobby, ein eigener Aquarienraum entsteht. Erst sehr klein, mit 14 Becken mit insgesamt 2000l Wasser. Er vermehrt Diskus und ist fasziniert vom Brutpflegeverhalten dieser Fische. Bald schwimmen einige hundert dieser herrlichen Fische in seiner Anlage. Sie sind der Grundstock für die Erweiterung der Zuchtanlage. Trotz der Aufforderung, sich ganz mit der Diskuszucht zu befassen, denn sie lassen sich doch gut verkaufen, gilt sein Interesse immer mehr den Zwergbuntbarschen. Denn nicht Umsatz ist wichtig, sondern nur die Interessen. Verschiedene Arten wie Apistogramma borellii, A. cacatuoides halten Einzug. Vielmehr gab es in den Fachgeschäften nicht.
Papilliochromis altispinosa – der bolivianische Schmetterlingsbuntbarsch…das ist der erste Zwergbuntbarsch den er vermehrte. Auf die Börse in Bremen aufmerksam geworden, denkt er, da könnte ich meine Nachzuchten zu verkaufen. Da er verschiedene Leute des Vereins von den Veranstaltungen des VDA-Bezirks kennt, ist ein Börsenbecken schnell geordert.
Seine erste Börse in Bremen: Zwei Tage lang mit vielen anderen „Verrückten“. Hier ein Gespräch hier ein Plausch, man kann sich so richtig austoben. Das dann die Kosten höher waren als die Einnahmen (ganze 10 „Schmetterlinge“, und die auch noch an einen einzigen Liebhaber, werden verkauft) war uninteressant. So wird er regelmäßiger Teilnehmer der Bremer Börse. Da er sich mit seinem Hobby da bestens aufgehoben fühlt wird er auch Mitglied im Verein. Viele gemeinsame Veranstaltungen folgen . Er schreibt seine ersten Artikel für den „Delphin“. Kurz … er fühlt sich pudelwohl in diesem kreis.

Bei einem Streifzug durch die Aquariengeschäfte entdeckt er einen neuen Zwergbuntbarsch. Apistogramma nijsseni, aber der preis, man will 120,00 DM für das Paar haben,. Das Männchen gab´s für 8.-DM. Wochen später kann er durch einen glücklichen Umstand sehr günstig zwei Paare erwerben. Recht schnell gelingt die Nachzucht und A. nijsseni ist auch heute noch fester Bestandteil seiner Artenliste. Das Verlangen nach anderen Arten wächst. Aber woher nehmen, der Norden ist in dieser Beziehung Entwicklungsland. So beginnt die Suche nach anderen Arten in Deutschland. Den nähesten Züchter findet er in Hildesheim. Dann ein Aufruf in der DATZ :
Eine Zwergbuntbarschvereinigung will sich gründen und sucht Interessierte. Aber das erste
Treffen ist im tiefsten Thüringen, da wo sich „Fuchs und Hase Gute Nacht sagen“. Aber egal, er will dabei sein. Eine abenteuerliche fahrt beginnt, den selbst Einheimische kennen den gesuchten Ort nicht. Nach zehn Stunden Fahrt (für 550 km)ist er endlich am Ziel. So wird er Gründungsmitglied des Arbeitskreis Zwergcichliden. Er lernt viele Züchter kennen und kann viele ihm unbekannte Arten sehen und erwerben. Viele Fahrten in den Osten der Republik folgen. Oft genug geht es morgens um 4 los und er ist am nächsten Morgen um 4 wieder zu Hause. Die Anzahl der Arten wächst, (bis zu 35 Arten sind vorhanden) und damit auch die heimische Zuchtanlage, die fast komplett auf „Zwerge“ umgestellt wird. Sein Angebot auf der Börse wird immer größer und die Liebhaber bekommen Arten zu Gesicht, die sie in keinem Zoogeschäft finden, den der Fachhandel hat nicht annähernd die Vielfalt an Arten wie er. Zwergbuntbarschinteressierte kommen zu ihm. Er gibt Hilfestellung wo er kann. Baut sogar ganze Zuchtanlagen mit auf. So erschließt er sich eine Diskussionsrunde mit Gleichgesinnten, denn nirgendwo kann man mehr lernen als in einem ausgiebigen Gespräch mit anderen. Wenn aquaristisches Zubehör gesucht wird, ist er erster Ansprechpartner.
Doch dann der erste große Zweifel, bekommt er doch zuhören: „warum baust du die deine eigene Konkurrenz auf?“ Wieso Konkurrenz? Ist er Händler, der damit Geld verdienen muss?? Nein, er sucht nur Gleichgesinnte.
Aber er lässt sich nicht beirren, und so wird aus Hilfestellung in manchen Fällen Freundschaft. Viele Unternehmungen werden gemeinsam gemacht. Er bekommt Fische die normal nie bekommen hätte. Wildfänge die ein Freund am Rio Negro selbst gefangen hat. Bei einigen dieser Fische gehört er zu den Ersten, denen die Nachzucht gelingt.
Aquarianerherz, was willst du mehr??
Viele Börsen folgen und viele kennen seinen Spruch: “Hauptsache die Fahrtkosten kommen rein.“ Klar ist er froh, wenn er einiges verkaufen kann, denn das Hobby kostet richtig Geld.
Aber nach wie vor ist das Zusammensein und die Fachsimpelei mit anderen das Wichtigste.

So wirken einige mitgehörte Gespräche sehr deprimierend auf ihn: „Was willst du mit dieser Art, die bringt doch nichts, und die , die bringt nur ein Euro.“ Oder wenn er hört. „Was willst du denn damit, das sind doch nur „graue Mäuse“, nicht zu verkaufen??“
Befremdlich klingt dann seine Antwort: „Wieso verkaufen, mich interessiert die Art einfach.“
Ist unser Hobby denn schon so tief gesunken, dass nur noch der Verkaufswert des Fisches zählt?
Ist es nicht befriedigend wenn man Nachzuchterfolge hat, die sich bei anderen als unmöglich oder zumindest sehr schwierig gestalten? Wenn man zuschauen kann, wie aus winzig kleinen Geschöpfen „richtige“ Fische werden? Oder wenn man Zuchtlinien aufbaut, um die einen andere beneiden? Zählt denn nur noch Geld und Umsatz?
Nichtsdestotrotz werden auch weiterhin Fische bei ihm schwimmen, die nicht verkäuflich sind, aber das Verhalten und die Brutpflege ihn interessieren. Und er hofft, dass er mit dieser Einstellung nicht alleine ist.

 

Anton Maier