Seit nunmehr 20 Jahren beschäftige ich mich, neben anderen Cichlidenarten, in erster Linie mit der Haltung, Zucht und Verhaltensforschung von Schneckencichliden aus dem Tanganjikasee. Auf diese Weise kommt eine ganze Menge an Erfahrung zusammen. Es ist keinesfalls so, dass sich alle Arten in den verschiedenen Gattungen in ihren  Lebensgewohnheiten gleichen. Den meisten Aquarianern sind nur sehr wenige Schneckencichliden bekannt. Darüber hinaus wird häufig die Ansicht vertreten – kennst du eine Art – kennst du alle. Diese These ist völlig falsch. Nur wenige Arten zeigen ähnliche Verhaltensstrukturen und innerartlich gibt es auch noch unterschiedliche Charaktere.In den Gattungen Altolamprologus, Lamprologus, Neolamprologus, Lepidiolamprologus und Telmatochromis kommt es bei einigen Arten zu Schneckenbrutverhalten. Diese Arten kommen in Tiefen zwischen 1 und etwa 100 Metern Wassertiefe vor. Das Wasser des Tanganjikasee hat eine Gesamthärte von etwa 12 º und einen pH-Wert von 7,5 und mehr. Die Temperatur liegt bei durchschnittlich 26 Grad.Es ist mir natürlich hier nicht möglich, über alle Besonderheiten der von mir bis zu diesem Zeitpunkt gehaltenen und gezüchteten Arten ausführlich zu berichten. Daher werde ich im Folgenden über drei verschiedene Arten kurz berichten, die vielleicht ein wenig neugierig machen.

Das Aquarium für Schneckencichliden

Beckengröße: ab 60 cm

Technik: kräftiger Filter mit einer Umwälzung von etwa dem 3- bis 4-fachen des Beckenvolumens

Wassertemperatur: 26 bis 27 Grad

Bodengrund: feiner Quarz- oder Lotsand etwas 4 – 6 cm hoch

Dekoration: Steinaufbauten im hinteren Beckenteil

Lamprologus ocellatus „Silver Stream“ Steindachner 1909

Lamprologus ocellatus ist im Grunde eine der ersten Arten, die hier als Schneckencichliden bekannt geworden sind. Schon Anfang der 80er Jahre gab es die ersten Importe für die Aquarianer in Deutschland. Die zu dieser Zeit gepflegten Vertreter kamen aus Burundi, dem nördlichen Teil des Sees. Inzwischen sind Gold-ocellatus, Blue-Isanga und Yellow-fin aus Sambia bekannt geworden. Die Ortsvariante Silver Stream hat eine braunbeige Grundfärbung mit einer bläulichen Zone im zentralen Bereich der Flanken. Die Geschlechter unterscheiden sich zum einen von der Größe her, da die Männchen etwa 50 mm und die Weibchen  ca. 45 mm groß werden. Zum Anderen zeigen die Weibchen im hinteren Teil der Dorsale einen weißlichen Saum, der beim Männchen gelblich ist. Mittlerweile sind fünf unterschiedlich gefärbte Varianten bekannt geworden. Der „Silver Stream“ kommt aus dem südlichen Teile des Sees und ist wohl die farblich attraktivste Entdeckung der letzten Zeit.

Möchte man sich mit der Haltung und Zucht von Lampr. ocellatus befassen, so reicht für ein Pärchen schon ein Aquarium von 60 cm Kantenlänge aus. Ein paar Steinaufbauten im Hintergrund des Beckens und feiner Lotsand als Bodengrund reicht als Einrichtung vollkommen aus. Ein Innenfilter und ein Regelheizer stellen eine gute Wasserqualität mit einer Temperatur von 26 Grad sicher. Lampr. ocellatus  benötigt pro Tier mindestens ein Schneckenhaus. Gehäuse der Neothaumaschnecke aus dem Tanganjikasee stehen leider nicht immer zur Verfügung, daher können auch alternativ Gehäuse der Weinbergschnecke eingesetzt werden. Die Gehäuse werden so in das Becken gelegt, dass sie etwa 20 cm Abstand zueinander haben. Das Eingraben und Ausrichten der Gehäuse übernehmen die Tiere dann schon selber. Dieses ist auch gleich der Moment, den man als Pfleger nicht versäumen sollte. Mit einem enormen Aufwand an Kraft werden unter den Gehäusen Gruben ausgehoben und die Gehäuse so gedreht, dass die Tiere später horizontal in das Innere des Gehäuses gelangen können. Hat das Schneckenhaus in der Grube seine optimale Position eingenommen, wird wieder Sand über das Gehäuse gewedelt und geschaufelt, so dass nur noch der Eingang im Sand sichtbar ist.Bei dieser Prozedur kann es zwischen den Männchen und Weibchen zu kleineren aber ungefährlichen Raufereien kommen. Rückt das Weibchen mit seiner Behausung zu weit in das Männchenrevier, so wird das Männchen dem Weibchen das Gehäuse kurzer Hand wieder zuschaufeln. Daher ist es zu empfehlen, ein paar mehr Schneckenhäuser zur Auswahl anzubieten. Hat das Paar sich nach etwa zwei Wochen eingelebt, wird im Gehäuse des Weibchens abgelaicht. Tief im Inneren werden etwa 20 – 40 Eier,
je nach Alter des Paares, vom Weibchen abgelegt und vom Männchen befruchtet. Nach 3 Tagen schlüpfen die Larven aus den Eihüllen und werden noch etwa eine Woche vom Weibchen weiter betreut. Ständig wird durch kräftiges Fächeln den Larven sauerstoffreiches Wasser zugeführt. Am 10. Tag nach der Eiablage erscheinen die Jungfische das erstemal am Eingang des Schneckenhauses. Dort werden sie vom Weibchen bewacht. Abends kehren die Jungfische immer in die Wohnhöhle zurück. Mit zunehmendem Alter unternehmen die Jungen immer weitere Ausflüge um das Schneckenhaus herum und wechseln gelegentlich auch in das Männchenrevier.Oft kann man auch beobachten, das die Jungfische in dem Schneckenhaus des Männchens untergebracht sind. Die Ernährung der Jungfische kann mit frisch geschlüpften Artemien oder feinem Staubfutter aus der Dose sichergestellt werden. Sind die Jungfische etwa vier Wochen alt, kann es vorkommen, dass das Weibchen wieder laichbereit ist. Dann werden sie aus dem Weibchenrevier vertrieben.
Ein  kleiner Teil kommt beim Männchen noch einige Zeit unter, der größte Teil ist aber auf sich gestellt. Zur weiteren Aufzucht sollten sie in einem separaten Becken untergebracht werden. Beim Herausfangen wird eine weitere Besonderheit dieser Art sichtbar. Die Jungfische können blitzschnell im feinen Bodengrund verschwinden und kommen erst nach ein paar Minuten wieder zum Vorschein.

Lamprologus ocellatus „Silver Stream“ Foto: Hans Hirsch

Eine weitere interessante Art ist Neolamprologus brevis – Boulenger 1899. Auch von dieser Art sind unterschiedliche Ortsvarianten bekannt und verbreitet. Die Grundfarbe besteht aus deinem dunklen Beige mit zahlreichen feinen Querstrichen auf dem Körper. Am Kopf sind zudem blaue Linien sichtbar. Grundsätzlich unterscheiden sich die südlichen Varianten durch eine Zeichnung der Schwanzflosse von den nördlichen Vertretern dieser Art. Leider wird Neol. brevis oft mit Neol. calliurus verwechselt. Ein deutliches Unterscheidungsmerkmal ist die gegabelte Schwanzflosse bei Neol. calliurus.

Möchte man sich mit Neol. brevis beschäftigen, sind die Anforderungen bei der Unterbringung ähnlich wie bei Lampr. ocellatus. Nur bei der Anzahl der Schneckenhäuser gibt es große Unterschiede, denn diese Art benötigt pro Paar nur ein Schneckenhaus, das so in den Bodengrund eingegraben wird, daß die Tiere senkrecht in das Gehäuse eintauchen können . Die Geschlechter lassen sich leicht unterscheiden, denn alleine der Größenunterschied ist ganz beträchtlich. Die Männchen werden etwa 55 mm groß, während die Weibchen schon mit ca 35 mm ausgewachsen sind. Diese Art hat von allen Schneckencichliden die engste Bindung ans Schneckenhaus, indem sie bei der kleinsten Störung sofort verschwinden. Das Weibchen entfernt sich nur sehr selten weiter als 10 cm von der Wohnhöhle um bei Gefahr sofort als erstes zu verschwinden. Das Männchen folgt sofort nach. Dieser Umstand ührte in den ersten Jahren des Imports auch dazu, dass nur Männchen gefangen wurden, da die Fänger nur die Männchen aus den Gehäusen schüttelten und die Weibchen mit dem Schneckenhaus im See ließen. Die Nachzucht erfolgt in der ersten Phase ähnlich wie bei Lampr. ocellatus. Auch die Jungfische dieser Art benötigt bis zum ersten Erscheinen am Eingang der Bruthöhle etwa 9 bis 10 Tage. Haben die Jungfische, die auf dem Bodengrund aufgrund ihrer Farbe und Größe nur sehr schwer zu erkennen sind, die Bruthöhe verlassen,kehren sie nur sehr selten wieder zurück. Die Brutpflege der Eltern beschränkt sich lediglich auf die Verteidigung des Revieres gegen schwache Freßfeinde. Bei Gefahr sinken die Jungen sofort reglos zu Boden und bewegen sich erst wieder, wenn die Gefahr vorbei ist.

Neolamprologus brevis „Sun Spot“ Foto: Hans Hirsch

Zum Abschluß möchte ich die Leser noch mit einer weiteren interessanten Art bekannt machen.
Auch innerhalb der Gattung Telmatochromis kommt es zu  Schneckenbrutverhalten. Ich möchte hier Telmatochromisburgeoni – Poll 1942 vorstellen. Im Gegensatz zum üblichen Erscheinungsbild der Gattung Telmatochromis ist T. burgeoni nicht langgestreckt sondern eher kurz und gedrungen. Auch die kontrastreiche hell/dunkel Färbung sucht man T. burgeoni vergeblich. Die Geschlechter lassen sich auch bei dieser Art anhand der Größe leicht unterscheiden. Die Männchen können eine Länge von etwa 9 cm erreichen. Die Weibchen bleiben da mit etwa 5 – 6 cm deutlich kleiner. In der Färbung unterscheiden sich die Geschlechter nicht. Bei der Beckengestaltung sollte man auf ausreichende Steinaufbauten in der Nähe der Schneckengehäuse achten, da das Männchen aufgrund seiner Körpergröße im Alter nicht mehr in ein Schneckenhaus paßt. Diese Art kann daher als eine Zwischenstufe in der Entwicklung zum Schneckenbrutverhalten angesehen werden. Bei der Reviergestaltung graben die Tiere unter den Schneckengehäusen eine Grube, so dass möglichst viele Gehäuse darin absinken.Das Laichverhalten ist ähnlich dem der zuvor beschriebenen Arten. Auch die Zeitabläufe der Larvenentwicklung verhalten sich ähnlich. Die Besonderheit bei  Tel. burgeoni besteht im Wesentlichen darin, dass diese Art dazu neigt, bis zu drei Generationen ihrer Nachkommen im Revier zu dulden, ohne dass es zu größeren Ausfällen kommt. Erst dann kommt es zum Verstoß der ältesten Generation, die dann eigene Reviere mit großer Distanz zum Elternrevier bilden. Die Ernährung dieser Art ist nicht sehr schwierig. Auch hier sollten in Abwechslung, wie bei allen anderen Schneckencichliden, Insektenlarven als Frostfutter und Trockenfutter mit Grünflockenanteil gegeben werden.In all den Jahren meiner Beschäftigung mit den Schneckencichliden habe ich weit über 20 Arten und Ortsvarianten gepflegt und gezüchtet ohne dass ich es als langweilig empfunden habe. Im Gegenteil – mich haben die unterschiedlichen Lebensgewohnheiten immer wieder begeistert. Ich bin überzeugt, dass sich das auch in Zukunft nicht ändern wird. Sollte jemand Interesse verspüren, es einmal mit Schneckencichliden zu versuchen, würde ich mich freuen und helfe auch gerne bei Problemen weiter.

Aber Vorsicht – eine gewisse Suchtgefahr besteht schon!

HansHirsch